Frag mich

Frag mich nach dem Geschrei der Krähen am Morgen. Frag mich nach der zerbrochenen Flasche am Ende einer durchzechten Nacht. Frag mich nach den gestohlenen Möglichkeiten und dem großen Bruder, der heimlich über uns wacht.

Ich erzähle Dir davon in einem Brief. Doch gib acht: er ist chiffriert. Dein Herz ist die Entschlüsselungsmaschine.

Frag mich nach dem alten Mann, der nur noch zurückblicken kann. Frag mich nach Zweifel und Furcht, doch frag mich auch nach Frohmut und Glück. Frag mich nach verstummten Kirchenglocken und Madonnas versteinertem Blick.

Ich halte eine Rede darüber, auf dem Platz der verlorenen Jahre. Ich will nicht mahnen, nicht klagen. Ich will Dich nur an etwas erinnern.

Frag mich nach den Helden unserer Zeit, die nein sagen zu Stumpfsinn und Eitelkeit. Frag mich nach der Liebe, die niemand versteht. Frag mich nach dem ewigen Moment, der alles trägt, alles erlaubt und frag mich nach dem Leben, das niemals vergeht.

Ich flüstere es Dir ins Ohr, so wie Liebende flüstern, wenn sie Treue schwören. Ich flüstere es Dir ins Ohr, will selbst werden dieser ewige Moment.

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